Down-Syndrom – Was ist das?

Bei einem Syndrom handelt es sich um das gemeinsame Auftreten bestimmter charakteristischer Merkmale. Angeborene Syndrome sind ein Resultat aus einer genetischen Veränderung im „Bauplan“ unserer Zellen. Beim Down-Syndrom, einer der Varianten des menschlichen Chromosomensatzes, ist das 21. Chromosom dreifach vorhanden. Daher kommt die Bezeichnung Trisomie 21 (von altgriechisch tria – deutsch drei und sômaKörper). Menschen, die mit dem Down-Syndrom leben, haben somit in ihren Körperzellen 47 statt 46 Chromosomen. Die genetische Grundausstattung einer Person beeinflusst die Entwicklung in unterschiedlicher Weise. Zugleich ist sie nur einer der Faktoren, die uns als Menschen ausmachen.

Vorkommen, Verbreitung und Häufigkeit

Allgemein wird angenommen, dass die Chromosomenvariante, wie sie bei Trisomie 21 vorliegt, so alt wie die Menschheitsgeschichte sein muss und Menschen mit Down-Syndrom schon immer geboren wurden. Dies eindeutig zu beweisen, ist kaum möglich. Man kann sich auf archäologische Funde stützen oder auch auf Zeugnisse aus der Kunst, wie beispielsweise Ton- und Steinfiguren aus südamerikanischen Kulturen oder Gemälde aus dem 15. bis 20. Jahrhundert, die als Beweis aufgeführt werden. Zugleich gehen die Meinungen, ob es sich dabei tatsächlich um Darstellungen von Menschen mit Down-Syndrom handelt, stark auseinander.

Aussagekräftiger sind Skelettfunde, über die immer wieder berichtet wird. So wurde 2014 das Skelett eines Kindes auf einer Nekropole in Chalon-sur-Saône im Osten Frankreichs gefunden. Auffälligkeiten am Schädel könnten auf ein Kind mit Trisomie 21 hinweisen. Das Skelett stammt aus dem 5. oder 6. Jahrhundert und wäre damit der älteste bekannte Fund eines Kindes mit Down-Syndrom.

Als ältester Nachweis eines Erwachsenen mit Down-Syndrom gelten zur Zeit die etwa 2550 Jahre alten Knochen einer circa zwanzigjährigen Frau, gefunden in der Gegend von Tauberbischofsheim.

Man findet Menschen mit Down-Syndrom überall auf der Welt und bei allen Bevölkerungsgruppen, unabhängig von ethnischer Herkunft, weltanschaulicher Zugehörigkeit oder sozialem Status.

Down-Syndrom ist eines der angeborenen Syndrome, die bei Menschen am häufigsten auftreten. Statistisch gesehen kommt es auf 800 Geburten je einmal vor.  Wie viele Personen mit Down-Syndrom weltweit leben, lässt sich lediglich schätzen. Die Global Down Syndrome Foundation spricht davon, dass einige Schätzungen die weltweite Bevölkerung von Menschen mit Down-Syndrom auf mehr als 6 Millionen beziffern. Die Schätzung für Deutschland bewegt sich zwischen 30.000 und 50.000 Personen.

Artikel aus unserer Fachzeitschrift „Leben mit Down-Syndrom“

Seit wann gibt es das Down-Syndrom?

Sterben Menschen mit Down-Syndrom aus?

Bezieht sich diese Frage auf die gesamte Weltbevölkerung, lässt sie sich verneinen. Ob in Zukunft jedoch in einzelnen Regionen der Welt keine Menschen mit Down-Syndrom mehr geboren werden, bleibt offen.

Für Europa liegen aktuelle Schätzungen der Lebendgeburten vor: Die Autoren de Graaf, Buckley und Skotko verglichen anhand der Register der europäischen Länder, wie sich die Geburten von Menschen mit Down-Syndrom von 1901 bis 2015 entwickelt haben. In ihrer 2020 im European Journal of Human Genetics erschienenen Publikation findet sich die Schätzung, dass es in Europa in den letzten Jahren durchschnittlich 8031 jährliche Geburten von Kindern mit Down-Syndrom gab. Ohne selektive Schwangerschaftsabbrüche (variabel in den einzelnen Ländern) wären es 17331 Geburten pro Jahr, woraus sich ein geschätzter durchschnittlicher Rückgang der Lebendgeburtenprävalenz um 54 % ergibt.

An solchen statistischen Vergleichen lassen sich gewisse Tendenzen ablesen, die u.a. mit der Entwicklung der pränataldiagnostischen Verfahren in den letzten Jahren zusammenhängen. Im 21. Jahrhundert wurden die nicht-invasiven pränatalen Tests (NIPT) entwickelt und finden verbreitete Anwendung. Ein positives Testergebnis, d.h. ein Verdacht auf das Vorliegen einer Trisomie 21, führt häufig zur Entscheidung, die Schwangerschaft zu beenden. Genaue Daten darüber werden in Deutschland, bis auf die Register in Sachsen-Anhalt und in Mainz, nicht erfasst.

Bei der Frage, ob Menschen mit Down-Syndrom vom Aussterben bedroht sind, geht es um mehr als nur um statistische Daten, die auf Trends hindeuten. Es geht vor allem um Menschen mit Down-Syndrom und ihre Familien, die unter einem Rechtfertigungsdruck stehen und zunehmend befürchten müssen, dass ihnen die finanzielle und ideelle Unterstützung entzogen wird. Es geht auch nicht zuletzt um die Frage, welche Zukunft wir überhaupt für unsere Gesellschaft wollen und wie wir zur Vielfalt des Lebens stehen.

Down-Syndrom und sein Namensgeber Dr. John Langdon Down

Die Bezeichnung Down-Syndrom wird seit den 1960er Jahren verwendet und geht auf den Namen des englischen Arztes Dr. John Langdon Down (1828–1896) zurück. Als Leiter einer Einrichtung in Earlswood hob er eine Gruppe der dort betreuten Menschen hervor und beschrieb sie 1866 erstmalig ausführlich. Weil er sich dabei des Begriffs „Mongoloide Idiotie“ bediente, etablierte sich dieser Name für Jahrzehnte nicht nur im medizinischen Sprachgebrauch. Heute darf der Begriff lediglich als historisches Zitat verwendet werden.

John Langdon Down hat in seinen Arbeiten zum einen festgehalten, wie sich die beschriebenen Patientinnen und Patienten äußerlich ähneln und zum anderen ist seinen Schriften zu entnehmen, welche Unterschiede im Lernen und Können er bei ihnen sah. Im eigenen Heim Normansfield begleitete und förderte er Personen mit Down-Syndrom. Sein Enkel John (1905–1970) hatte ebenfalls das Down-Syndrom.

Genetische Ursache

1956 gaben zwei Forscher der Universität Lund in Schweden bekannt, dass die menschlichen Zellen 46 Chromosomen zählen. Dies setzte eine vertiefte Forschung an genetischen Ursachen von Syndromen in Gang, wie die eines Teams in Paris unter der Leitung des Arztes Raymond Turpin, zu dem Marthe Gautier (1925–2022) und Jérôme Lejeune (1926–1994) gehörten. 1959 wurden die Ergebnisse ihrer Forschung protokolliert und die Entdeckung, dass Menschen mit Down-Syndrom in jeder Körperzelle 47 statt der üblichen 46 Chromosomen haben und dass das Chromosom Nummer 21 verdreifacht ist, bekannt gemacht.

Jahrelang galt Jérôme Lejeune als Entdecker der veränderten Chromosomenzahl im Genom von Menschen mit Down-Syndrom. Die tatsächliche Entdeckerin der Trisomie 21 ist jedoch Marthe Gautier. Sie war die erste, die anhand von Proben des genetischen Materials eines Jungen mit Down-Syndrom das verdreifachte 21. Chromosom nachweisen konnte. Jérôme Lejeune bekam von ihr die Nachweise und kümmerte sich um die fotografische Dokumentation sowie die Bekanntgabe der Entdeckung, allerdings unter seinem Namen an erster Stelle. Erst 2016, als die Wissenschaftlerin Seraya Maouche die Ergebnisse ihrer Recherche publizierte, wurde endgültig offiziell anerkannt, wer tatsächlich die Trisomie 21 als eine genetisch bedingte, nicht veränderbare Veranlagung und Ursache des Down-Syndroms entdeckte – Marthe Gautier.

Artikel aus unserer Fachzeitschrift „Leben mit Down-Syndrom“

Marthe Gautier, die „vergessene Entdeckerin“ der Ursache von Down-Syndrom, im Alter von 96 Jahren verstorben Wer entdeckte die genetische Ursache von Down-Syndrom?

Welche Funktion haben Chromosomen?

Über die Chromosomen geben Eltern Erbinformationen an ihre Kinder weiter. Die Gene auf den Chromosomen bestimmen die Funktionen des Körpers und halten die gesamte organische und mentale Entwicklung in der Balance. Auch andere Faktoren, wie es die Epigenetik erforscht, nehmen Einfluss darauf.

Zellteilung

Der Bauplan des menschlichen Körpers wird in der DNA auf den 23 Chromosomenpaaren jeder Körperzelle gespeichert. Die Chromosomen sind von 1 bis 22 nummeriert, hinzu kommen die beiden Geschlechtschromosomen. Während ein Kind gezeugt wird, vereinigen sich die Keimzellen der Eltern. In einer Keimzelle befinden sich nur halb so viele Chromosomen wie in den anderen Zellen: 23 in der Eizelle und 23 in der Samenzelle. Die erste Zelle des Kindes hat somit 46 Chromosomen und beginnt sich dann zu teilen und zu vermehren. Jede neue Zelle hat 46 Chromosomen.

Zellteilung bei Trisomie 21

Die Aufteilung der Chromosomen bei der Zellteilung ist von Natur aus ungenau, so dass Genmutationen als ein natürlicher und zufälliger Prozess gesehen werden können. Bei jedem Menschen, der Keimzellen bildet, kommen solche Zufallsereignisse vor. Wenn eine der Keimzellen ein zusätzliches Chromosom enthält (insgesamt 24 Stück statt 23) und sich mit der Keimzelle des anderen Elternteils vereinigt, dann entsteht eine befruchtete Eizelle mit 47 Chromosomen. Ist dieses zusätzliche Chromosom eines mit der Nr. 21, liegt Trisomie 21 vor. Oben beschriebene Trisomie wird freie Trisomie genannt und kommt bei etwa 95 % aller Menschen mit Down-Syndrom vor. „Weil dabei das Chromosom 21 im Ganzen dreifach vorhanden ist, sind die darauf lokalisierten etwa 250 Gene unverändert – es handelt sich also nicht um einen ,Gendefekt‘, und schon gar nicht um eine ‚Erbkrankheit‘.“ (Wolfram Henn, Humangenetiker)

Besondere Formen des Down-Syndroms

Translokation

Bei der Translokations-Trisomie 21 ist ebenfalls ein zusätzliches Chromosom 21 vorhanden. Bei dieser viel selteneren Form ist das dritte Chromosom 21 mit einem anderen Chromosom verschmolzen, meistens mit der Nr. 13, 14, 15 oder 22. Eine Translokation kommt bei etwa 3 % der Kinder mit Down-Syndrom vor.

Bei dieser Variante des Down-Syndroms kann ein Elternteil, ohne es zu wissen, ein sogenannter „balancierter“ Anlageträger sein, aber auch die Translokations-Trisomie 21 kann spontan entstehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Kinder auch mit dieser Form der Trisomie 21 zur Welt kommen, ist etwas höher (zwischen 1 und 2 %).

Mosaik

Bei der Mosaik-Form findet das Nicht-Auseinanderweichen (Nondisjunction) der Chromosomen erst nach der Befruchtung in den ersten Zellen des neu entstehenden Organismus statt. Er weist dann sowohl Zellen mit 46 als auch Zellen mit 47 Chromosomen auf. Wie hoch der Anteil an trisomen Zellen ist, hängt davon ab, in welchem Stadium der Zellteilung das Nicht-Auseinanderweichen stattgefunden hat. Mosaik-Trisomie-21 kommt nur bei 1 bis 2 % der Kinder mit Down-Syndrom vor.

Partielle Trisomie 21

„Extrem selten ist die ‚partielle‘ Trisomie 21, bei der nur ein Teil des Chromosoms 21 dreifach vorliegt – einen solchen Befund habe ich (…) als Humangenetiker erst zweimal gesehen.“ (Wolfram Henn, Humangenetiker)

Was bewirkt das Extra-Chromosom?

Bei der Trisomie 21, die das Down-Syndrom in jeweils individueller Ausprägung nach sich zieht, ist das Chromosom mit der Nr. 21 sichtbar überzählig. Diese Tatsache wirkt sich auf die genetische Balance aus und hat verschiedene Folgen für die Träger:innen des Down-Syndroms. Sie sind an ähnlichen Merkmalen im Aussehen und Körperbau erkennbar, sie haben eine Veranlagung für bestimmte Erkrankungen und weisen sehr individuelle Entwicklungspotenziale auf. Ihr Entwicklungs-, Wahrnehmungs- und Lernprofil unterscheiden sie von Menschen mit 46 Chromosomen und sind als syndromspezifisch zu sehen. Die Spanne reicht von schwerer Behinderung bis zu fast durchschnittlicher Intelligenz, wobei das zusätzliche genetische Material nur ein Aspekt ist, der die Entwicklung beeinflusst.

„Ein Kind mit Down-Syndrom ist genauso zu 100 Prozent das Kind seiner Eltern wie jedes andere Kind auch. Hinsichtlich seines Bestandes an Genen ist es zu 99 Prozent genauso doppelt bestückt wie andere Kinder auch. Das eine Prozent ‚Mehr‘ an Genen für Chromosom 21 lässt auf einigen Gebieten Probleme erwarten – etwa hinsichtlich des Entwicklungstempos –, auf anderen Gebieten sind Probleme möglich, aber nicht sicher – etwa hinsichtlich Herzfehler –, und auf vielen Gebieten sind keine Probleme zu erwarten, etwa hinsichtlich des Hineinwachsens in den sozialen Familienverband.“ (Wolfram Henn, Humangenetiker)

Artikel aus unserer Fachzeitschrift „Leben mit Down-Syndrom“

Down-Syndrom und Humangenetik. Interview mit Prof. Dr. Wolfram Henn

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